Ein Studentenkurs bringt es zu wissenschaftlichen Ehren

Bei Exkursionen und in Kursen sollen Studenten vor allem Methoden lernen. Die Erhebung von publikationsreifen wissenschaftlichen Daten ist eher die Ausnahme denn die Regel. Dies gilt auch für den Kurs „Winterökologie“ der Universität Bergen in Norwegen. Dieser findet jährlich im April in der Biologischen Station in Finse 1222m über Meereshöhe statt. Dort liegt ca. 8 Monate Schnee - ideale Voraussetzungen für berühmte Polarforscher wie Scott und Amundsen, Nansen und Shackleton sich dort auf ihre Expeditionen vorzubereiten, die Kulisse für den Eisplanet Hoth aus Star Wars zu stellen oder eben für einen Studentenkurs in Winterökologie. Der Kurs ist vor allem auch bei ausländischen Studenten sehr beliebt, gibt er doch die Möglichkeit, eine Woche lang Anpassungen von Pflanzen und Tieren an Schnee und Kälte zu studieren, die gesellige Atmosphäre in einer Gebirgshütte zu genießen. Einige der ausländischen Studenten stehen hier das erste Mal auf Skiern, neu für die meisten ist allerdings das Anlegen eines Schneeprofiles. Je nach Wetter und Wind ist das Graben eines 2-4m tiefen Schneeprofils eine mehr oder weniger amüsante Sache. Schneehöhe, die Schichtungen der verschiedenen Eiskristalle und die sich daraus ergebenden Schneeverdichtungen geben Auskunft über den Witterungsverlauf des gesamten Winters, wobei diese Parameter je nach Niederschlagsmenge und Temperaturverlauf von Jahr zu Jahr variieren. Seit 1970 wurden nun diese Größen in der biologischen Station in Finse gemessen, in vielen Jahren durch die Studenten des Winterökologiekurses. Diese Daten wurde nun interessant, als französische und norwegische Wissenschaftler der Frage nachgingen, inwieweit das Klima die Populationszyklen der Lemminge in der Umgebung von Finse bewirkt und ob es auch die seit 1994 ausbleibenden Massenvermehrungen zu erklären vermag. Und richtig, in einer Publikation in der Zeitschrift Nature (Kausrud et al. 2008), eines der Publikationsflagschiffe der Naturwissenschaft, zeigten die Autoren, dass Luftfeuchtigkeitswerte im April, Schneehärte und die Dauer der Schneebedeckung die wesentlichsten abiotische Faktoren sind, die den Populationszyklus der Lemminge beeinflussen. Dies mag nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass bei Lemmingen die jährliche Reproduktionsphase lange vor dem Schmelzen bereits unterm Schnee beginnt. Mittels Modellierung konnte das Ausbleiben der Massenzyklen als Reaktion auf eine Veränderung oben genannter Schneefaktoren vorhergesagt werden und wird nun als Resultat der globalen Klimaveränderung interpretiert. Verwundern mag auch nicht, dass es gerade des Vorhandenseins eines 27-jährigen Beobachtungszeitraumes bedurfte, derartige komplizierte Prozesse zu verstehen – ein Umstand der von Caulson & Malo in einem weiterem Beitrag in Nature hervorgehoben wird. Biologische Prozesse entziehen sich eben immer wieder dem 3 jährigen Zeithorizont der Wissenschaftsförderung. Eine Möglichkeit diesen Zwängen zu entgehen, ist natürlich die Einbindung alljährlich stattfindender Studentenkurse.

Quellen

Kausrud et al. (2008): Linking climate change to lemming cycles. - Nature 456 (6), 93-97.

Coulson, T. & Malo, A. (2008): Case of the absent lemming. - Nature 456 (6), 43-44.