Der Baumgrenze auf der Spur

Die Herausforderungen für die Menschheit durch einen rapiden Klimawandel sind offensichtlich. Ungeachtet der daraus erwachsenden existentiellen Entscheidungen, ermöglicht die derzeitige Erwärmung des Weltklimas dem Naturkundler ein interessantes evolutionäres Szenario zu studieren: Wie reagieren Fauna und Flora auf kurzfristige Klimaveränderungen.? Zum Beispiel die Frage, ob sich die Baumgrenze der arktischen Regionen Nordamerikas und Eurasiens weiter nach Norden verschieben. Die Baumgrenze in zentralen Regionen Kanadas stellt die natürliche Grenze der Waldzone zur arktischen Tundra dar, eine biogeographische Grenze, die aber auch verschiedene indianische Völker und deren Kulturen trennte und bei der politischen Einteilung von Provinzen Berücksichtigung fand. Glen MacDonald vom Department of Geography der Universität von Los Angeles untersuchte zusammen mit kanadischen und britischen Kollegen Baumwachstum und Baumgrenze der letzten ca. 300 Jahre im Norden Zentralkanadas. Die Frage war, verschob sich die Nordgrenze der vorherrschenden Baumarten wie etwa Picea glauca oder P. mariana durch die Erwärmung, die auf der nördlichen Halbkugel nach dem Ende der so genannten kleinen Eiszeit (ca. 1300- 1850; siehe Fagan 2000) einsetzte. Dabei nutzten die Autoren nicht nur dendrologische Standarduntersuchungen wie die Analyse von Baumringen. Zusätzlich legten sie „besonderes Augenmerk auf Vergleiche mit geschichtlichen Aufzeichnungen“, wie es auf der Homepage unseres Vereins so schön heißt. Nicht weniger als 8 Expeditionen aus dem Zeitraum von 1770-1907 in den Norden Kanadas wurden ausgewertet. Dabei wurde auf Tagebuchaufzeichnungen, handgezeichnete Landkarten und Landschaftsskizzen und -zeichnungen und gar eine Photographie von 1907 zurückgegriffen. Es ist mehr als nur eine nette Geste an Pioniere der Naturforschung, dass zahlreiche Abbildungen von Originalkarten und -skizzen, sowie Übersichten des exakten Exkursionsverlaufes in die Publikation übernommen wurden. Diese Arbeit ist eine Freude für jeden historisch interessierten Naturkundler und zeigt den zeitlosen Wert von Exkursionen. Übrigens ergaben die Analysen, dass die untersuchten Baumarten weniger mit einer Verschiebung ihrer nördlichen Arealgrenze, als mit erhöhten Wachstums- und Reproduktionsraten auf eine Klimaerwärmung reagierten.

Quellen

Glen M. MacDonald, Julian M. Szeicz, Jane Claricoates, Kursti A. Dale: Response of the Central Canadian Treeline to Recent Climatic Changes - Annals of the Association of American Geographers, Vol. 88, No. 2 (Jun., 1998), 183-208.

Brian Fagan: The little Ice Age. How climate made history 1300-1850. Basic Books, 2000.